Alle lebenden Systeme entwickeln nicht nur Kompensationsmöglichkeiten für Fehler sondern führen Abweichungen/Fehler aktiv herbei, um die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu erforschen. Die Produktion von Abweichungen und Irrtümern ist
ein übergeordnetes biologisches und kulturelles Prinzip zur Entfaltung von Komplexität. Entgegen der einseitigen Annahme vom „survival of the fittest“ spielt daher das Überleben von scheinbar „Schwächeren“ (altruistische Pflege) in der sozialen Organisation höherer Säugetiere eine überragende Rolle.
Spezies, aber auch soziale Systeme oder Individuen, die keine Variationen mehr hervorbringen, sterben ab (Bateson, 1981).
Kreative Aktivitäten tauchen daher auf allen Ebenen der Entwicklung von Leben auf und wirken einer „fehlerlosen Stagnation“ (v. Weizsäcker, 1984) entgegen. Heisenberg(1983) identifiziert „initiale Aktivitäten“, d.h. nicht planbare, unüberschaubare Aktivitäten als Bedingung für die Entwicklung menschlicher Intelligenz und Willensfreiheit. Moreno (1954) betont Spontaneität als universelles Prinzip der Schöpfung.
Was bedeutet das für die Praxis? Wir produzieren professionell „Abweichungen“ und überprüfen dabei aufmerksam, ob diese in eine Sackgasse führen oder innovativ sind. Ohne den Mut zu
Abweichungen und ungewöhnlichen Verbindungen gibt es keine Kreativität (ohne diesen Mut gäbe es keinen Mozart, keinen Picasso, keinen Mesut Özyl) .
Mutig der beste Freund seiner eigenen „Fehler“ zu sein, ist erfolgreich, macht aber auch viel Arbeit.
Die basale Stabilität eines Systems muß gewährleistet sein, damit Varianz (Verstörung) produktiv wirken kann. Ohne eine solche Grundstabilität kann Varianz destruktiv wirken.Die wesentliche Aufgabe bei allen Veränderungsprozessen besteht daher im Aufbau einer angemessen stabilen Organisationsstruktur/plattform, die in der Lage ist, Verstörung“aufzufangen“ und strukturellen Wandel abzufedern. Es kommt
also immer auf den passenden Grad der Variation/Verstörung/Erstmaligkeit an.
Anregungen und Variationen wirken der Erstarrung entgegen. Sie müssen daher – gegebenebfalls von Außen – erzeugt werden. „It is not the philological mind that was a creator of cultur, but devination, pathos, imagination – in a word, ERROR“ (Eliade, 1978, S. 178).
Grenzen ermöglichen den Austausch zwischen Systemen und regulieren das Zusammenspiel zwischen stabilisierenden und verstörenden Prozessen, zwischen Bestätigung und Neuheit. Isolation begünstigt Eigenentwicklungen (z.b.auf den Galappagos-Inseln) während Fusion gemeinsame Entwicklung befruchtet.
„Redundanz, Vielfalt und Barrieren zusammen garantieren lebenden Systemen ihre Fehlerfreundlichkeit und damit ihr Vorbereitetsein auf künftige Ereignisse“ (Weizsäcker, S. 170).
Für einzelne Personen und soziale Systeme (Paare, Familien, Gruppen, Teams Organisationen, Gesellschaften) kann auf verschiedensten Ebenen untersucht werden,
wie Redundanz/Kontinuität, Variation/Vielfalt und Grenzen angemessen ausbalanciert werden können, um die notwendige Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit
zu erhalten.
Weiterführende Literatur zum Thema: